Donnerstag, 10. März 2011

Die Aussernandersetzung vor den Gerichten


Der Streit um die beidseitige Versorgung mit Cochlea-Implantaten wird von den gesetzlichen Krankenversicherungentrotz der bekannten Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Anspruch der Hörbehindertenauf diese Versorgungsform leider weitergeführt. Wie in meinem Beitrag in der Schnecke 62 vom November 2008 bereits hingewiesen, hat die Techniker Krankenkasse (TKK) gegen ein weiteres Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (BLSG) vom 10.04.2008 Nichtzulassungsbeschwerdean das Bundessozialgericht (BSG) erhoben, über die nunmehr entschieden worden ist.

Der im Jahr 1973 geborene Kläger ist seit seiner Geburtschwerhörig. Die Schwerhörigkeit hat sich im Laufe derZeit zu einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeitentwickelt. Bis zur Versorgung mit dem ersten CI im Jahr 2001 war er zunächst mit Hörgeräten versorgt. Nachdem der Versicherte durch die Versorgung mit dem ersten CI eine bedeutende Hörentwicklung, verbunden mit einem dementsprechendausgeprägten Sprachverständnis und folglich eine Weiterentwicklung der Sprachkompetenz erreichte, hat er sich nach Beratung mit den Fachärztenüber die Möglichkeit für die beidseitige CI-Versorgung entschieden. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungenhat die fachärztliche Beratung das Ergebnis gebracht,dass der Versicherte auch mit dem zweiten Ohrein Hören entwickeln kann, das sein Gesamthören weiterverbessert und ihn für seine private und berufliche Kommunikation mit Sicherheit weiter fördern wird. Er hat folglich bei seiner gesetzlichen Krankenversicherungauf Verordnung der versorgenden Universitätsklinik Antrag auf Leistung zur beidseitigen Versorgung mit CIs gestellt,der von der TKK nach Beratung durch den MDK abgelehnt worden ist. Der Widerspruch gegen die Ablehnung ist erfolglos geblieben, so dass Klage an das zuständige Sozialgericht erhoben werden musste.

Im Verfahren am Sozialgericht (SG) hat die beklagte TKK dem Versicherten angeboten, die Versorgung im Rahmendes von ihr abgeschlossenen Integrationsvertrages an einer bestimmten Uniklinik durchführen zu lassen,was der Versicherte wegen anderweitiger Orientierungauf der Grundlage der örtlichen Nähe zu einem Münchner Uniklinikum und aus anderen persönlichen Gründen abgelehnt hat. Das zuständige SG hat die gesetzliche Krankenversicherung verurteilt, dem Versicherten die begehrte Leistung im Wege des Sach- und Dienstleistungsprinzipsnach Sozialgesetzbuch V zu erbringen.

Gegen diese Entscheidung hat die gesetzliche Krankenversicherung als Berufungsgericht das BLSG angerufen das aber unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung ineinem ähnlich gelagerten Fall die Berufung zurück gewiesen hat, weil in Angelegenheiten des unmittelbaren Behinderungsausgleiches die gesetzlichen Krankenversicherungenverpflichtet sind, Leistungen so lange zuerbringen, bis der Behinderungsausgleich tatsächlich bewirkt ist.Der 4. Senat des BLSGs hat die Revision gegen das Berufungsurteil nicht zugelassen, wogegen die Beklagte die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hat.

Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts im Berufungsurteil,dass die Revision nicht zugelassen worden ist. Hat das Berufungsgericht nämlich die mögliche Revision an das Bundessozialgericht (BSG) zu unrecht verweigert, kann in einem Nichtzulassungsverfahren überprüft werden, ob es Gründe des unterlegenen Berufungsführersgibt, die Revision trotz der Entscheidungdes Berufungsgerichts führen zu können.Die Überprüfung wird vom BSG vorgenommen.

Das BSGhat nunmehr in seinem Beschluss vom 02.12.2008 entschieden,dass die Nichtzulassungsbeschwerde der TKK gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des BLSGs vom 10.04.2008 als unzulässig zu verwerfen war.Damit ist die Berufungsentscheidung des BLSGs vom April 2008 rechtskräftig geworden, so dass der Versicherteden beidseitigen Versorgungsanspruch nunmehrin dem Universitätsklinikum seiner Wahl und nicht von dem im Angebot nach dem Integrationsvertrag vorgegebenen Klinikum durchführen lassen kann.In der Begründung hat das BSG nicht nur darauf hingewiesen,dass die gesetzliche Krankenversicherung mitder Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur keine klärungsbedürftige und im konkreten Rechtstreitauch entscheidungserhebliche Rechtslage aufgezeigthat, sondern es hat in einem bedeutenden Nebensatz auch dargelegt, dass das BSG sich mit dem Hilfsmittelbegriff der gesetzlichen Krankenversicherungbereits mehrfach auseinandergesetzt hat und soweit die TKK eine Abweichung von diesen Entscheidungen festgestellt hätte, diese dargelegt und begründet hätte werden müssen.

Dem war die gesetzliche Krankenversicherung jedoch nicht nachgekommen.Darüber hinaus hat das BSG angedeutet, dass selbst für den Fall, dass berechtigte Zweifel dargestellt werden könnten, die das Cochlea-Implantat nicht als Hilfsmitte lgemäß § 39 SGB V bzw. § 33 SGB V erscheinen lassen könnten, vom Gericht kein Anlass besteht, auf der bisherigen Diskussionsgrundlage Zweifel an der Richtigkeitder Berufungsentscheidung erkennen zu können. Damit hat das BSG mit dieser Entscheidung deutlich gemacht,dass es an seiner bisherigen Bewertung zum unmittelbaren Behinderungsausgleich wohl auch bei Cochlea-Implantaten festhält und auf der Grundlage desVortrages der TKK wohl keinen Anlass gesehen hat, die Berufungsentscheidung des BLSGs als im Ergebnis nicht richtig zu bewerten.

Aus der Entscheidung des BSGs muss entnommen werden,dass die TKK eine Beschwerde an das BSG gerichtethat, die in dieser Form nicht zulässig gewesen ist. Wäre die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesenworden, könnte man zugunsten der TKK argumentieren,dass ein solches Verfahren auf der Grundlage einer sachbezogenen Argumentation zu entscheiden gewesen ist. Die Zurückweisung, als in dieser Form unzulässig,beinhaltet jedoch, dass die TKK, die ja als Körperschaftdes öffentlichen Rechts agiert, offensichtlich die gesetzlichen Verfahrensbestimmungen für eine Nichtzulassungsbeschwerdeoder eine Revision nicht ausreichendanwenden kann, weil die erforderlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt worden sind.

Ein solches Verhalten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts muss einer intensiven Kritik unterzogenwerden, weil die gesetzlichen Krankenversicherungen anderenfalls in den Verdacht geraten könnten, mit dem gezeigten Taktieren die Interessender Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungin offensichtlicher rechtswidriger Weise zu unterdrücken.Nachdem die gesetzlichen Krankenversicherungenaber in der Form des Körperschaft des öffentlichenRechts als Staatsverwaltung handeln und nicht - wiedies bei privaten Krankenversicherungen der Fall wäre - ein wirtschaftliches Interesse verfolgen, ist es erforderlich,das Ergebnis der Entscheidung des Bundessozialgerichtsmit den notwendigen Konsequenzen umzusetzen.

Bernhard Kochs
Rechtsanwalt
Menzinger Str. 17

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