Freitag, 21. Dezember 2012

Stärkung für das schwache Ohr




MHH-Forscher: Bei angeborener Gehörlosigkeit sollten möglichst gleichzeitig beide Ohren mit Cochlea-Implantaten versehen werden / Veröffentlichung in „Brain“

Gehörlose Kinder, deren Hörnerv noch funktioniert, können mit einem Cochlea-Implantat (CI) versorgt werden. Häufig geschieht das nur an einem Ohr.

Kinder, bei denen später in das zweite Ohr eine solche Hörprothese implantiert wird, verstehen über dieses Ohr Sprache schlechter.
Welche neuronalen Prozesse dafür verantwortlich sind, haben jetzt Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Kooperation mit Wissenschaftlern der Goethe Universität Frankfurt am Main aufgeklärt.

Das Team um Professor Dr. Dr. med. Andrej Kral, Direktor des Instituts für Audioneurotechnologie und der Abteilung für Experimentelle Otologie der MHH-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO-Klinik), beobachtete Folgendes an gehörlosen Tieren:

Das erste Ohr, das ein Cochlea-Implantat erhielt, nimmt die Teile des Hörsystems im Gehirn in Anspruch, die normalerweise für das andere Ohr zuständig sind. So entstehen ein funktional „stärkeres“ und ein „schwächeres“ Ohr. „Die Übernahme war umso umfangreicher, je früher nach der Geburt die erste Implantation erfolgte. Es zeigte sich also eine sensible Phase für diese Veränderung. Folglich sollte man bei angeborener Gehörlosigkeit möglichst gleichzeitig beide Ohren mit je einem Cochlea-Implantat versehen“, erklärt Professor Kral.

Bei allen Tieren konnte das „schwächere“ Ohr immer noch das Hörsystem im Gehirn etwas aktivieren. „In dieser Situation könnte also ein isoliertes Training am ‚schwächeren’ Ohr zu einer Verbesserung des Sprachverständnis führen“, erläutert Professor Kral. Dieser Befund stünde im Unterschied zur einseitigen Sehschwäche, die zur kompletten Blindheit am schwächeren Auge führen könne. Das Projekt der Hörforscher unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Die Befunde werden an der HNO-Klinik der MHH (Direktor Professor Dr. Thomas Lenarz) bei Kindern auch klinisch bestätigt: Sequenziell implantierte Kinder zeigen ein schlechteres Sprachverständnis beim später implantierten Ohr, so das gehörlose Kinder an der HNO-Klinik der MHH in der Regel beidseitig implantiert werden.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Andrej Kral, Direktor des Instituts für Audioneurotechnologie und der Abteilung für Experimentelle Otologie der MHH-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Telefon (0511) 532-7272, kral.andrej@mh-hannover.

Stefan Zorn | Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Weitere Informationen: www.mh-hannover.de

Dienstag, 18. Dezember 2012

Winziges Loch für besseres Hören


Der Schweizerische Nationalfonds unterstützt ein vom Inselspital und der Universität Bern gemeinsam geleitetes Forschungsprojekt zur minimalinvasiven Hörgerät-Implantation mit 2.6 Mio. Franken. Ziel ist, Hörgeräte besonders bei Kindern in ambulanten OPs einsetzen zu können.




Ein Viertel der Menschheit über 45 Jahren leidet an substantiellen Hörverlusten und kann Flüstern oder leises Sprechen (<26dB) gar nicht oder nur sehr schlecht verstehen. Daneben werden 2 - 6 ‰ aller Babies schwerhörig oder taub geboren.

Eine Elektrode, welche die Hörschnecke (Cochlea) durch elektrische Impulse anregt, kann diese hochgradigen Hörverluste beheben. Allerdings muss diese Elektrode derzeit durch grossflächiges Ausfräsen des Schädelknochens hinter dem Ohr implantiert werden – ein komplizierter Eingriff mit kosmetischen Konsequenzen und Schmerzen für den Patienten.

Prof. Marco Caversaccio (Universitätsklinik für HNO, Inselspital) und Prof. Dr. Stefan Weber (ARTORG Center, Universität Bern) wollen daher neue Methoden entwickeln und verfeinern, um ein Cochlea-Implantat nur mittels kleiner Bohrung über dem Ohr einzuführen. Dies wäre für den Patienten (zunehmend Kinder und Jugendliche) viel weniger belastend und sogar als ambulanter Eingriff unter leichter Narkose und Spitalaustritt am gleichen Tag möglich. Diese innovative Idee mit hohem Nutzen für die Betroffenen wird von der Nano-Tera Initiative des Bundes mit 2.6 Millionen Franken unterstützt.

Das Projekt «Image-guided micro surgery for hearing aid implantation» will die neue minimalinvasive Implantationsmethode via eines winzigen Loches im Schädel mit Hilfe einer präzisen roboterbasierten Chirurgie erreichen. Besondere Herausforderungen sind die computerbasierte Operationsplanung und das präzise Einmessen des Patienten, sowie die laufende Überprüfung der räumlichen Position von Roboter und Patient und das Operieren in sicherem Abstand zum Gesichtsnerv.
Während die erforderliche Gesamtgenauigkeit bereits experimentell bestätigt wurde, werden die integrierten Sicherheitssysteme derzeit zusätzlich am Modell validiert. Eine weltweit erste klinische Studie zur neuen Implantationsmethode wird das Projektteam bei der Ethikkommission und der Swissmedic beantragen.
Am Projekt beteiligt sind die Universitätsklinik für HNO des Inselspitals, das ARTORG Center for Biomedical Engineering Research, das Institut für chirurgische Technologien und Biomechanik der Universität Bern, das Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique und die Fachhochschule Biel.

Das Nano-Tera Programm
Die Forschungsinitiative Nano-Tera.ch soll die Schweiz durch Einsatz von Ingenieur- und Informationstechnologien in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Energie und Umwelt zu einem der Vorreiter einer technologischen Revolution machen. Im Auftrag des Bundesrats ist der SNF als unabhängiges Organ für die Qualitätssicherung zuständig.

Nathalie Matter | Quelle: Universität Bern 
Weitere Informationen: www.unibe.ch

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Sonos: Editorial


Quellen: Die Magazin ist ganz neu von November 2012, in Website www.sonos-info.ch ist noch nicht da.


Liebe Leserinnen und Leser

Wer von uns hat sich nicht schon gewünscht, dass ein Wunder gesehen möge. Aber Wunder gibt es bekanntlich selten. Aber es gibt sie scheinbar doch. Und vielleicht können schwerhörige Menschen auf ein Wunder, nähmlich auf eine neue, alles verändernde, Therapie hoffen.

In der Handelzeitung vom 26. Oktober 2012 schreibt Primin Schilliger unter dem Titel "Roche: Das wunder von Sheffield" über ein bahnbrechendes gelungenes Experiment.

Schillinger schreibt, dass Roche, der Pharmakonzern, auf ein neues Geschäftsmodell setzt. Roche habe mit zwei Partnern die Firma Incetion3 gegründet. Inception3 hat den Auftrag als Erster ein Heilmittel zur Behandlung der Schwerhörigkeit zu entwickeln.

Und Wunder gibt es doch! Achtzehn unscheinbare Rennmäuse schafften es kürzlich in die Schlagzeilen. Englische Forscher der Universität Sheffield betäubten mit einem chirurgischen Eingriff die Tiere. Danach pflanzten sie den Mäusen Hörzellen ein, die aus Stammzellen gezüchtet waren. Und das Wunder, das sich die Forscher von diesem Versuch erhofft hatten, trat ein. Die Rennmäuse konnten wieder hören.

Schillinger schreibt, dass dieses Experiment derart beachtet wurde, sei kein Zufall. Denn weltweit seien annähernd 300 Millionen Menschen von dieser weitaus verbreitetsten Form von Schwerhörigkeit betroffen.
Die Verbesserung des Hörvermögens im Innenohr würde die Lebensqualität eines grossen Teils der Menschheit erhöhen und verspreche der Pharmabranche ein milliardenschweres Geschäft. Der Konzern Roche mische in diesem Forschungsgebiet zuvorderst mit. Zusammen mit den beiden amerikanischen Firmen Versant Ventures und Inception Sciences gründeten die Basler die Forschungsfirma Inception3, die einen neuen Ansatz verfolge.

Für den Hörverlust verantwortlich sind beschädigte oder abgestorbene Haarzellen im Innen ohr. Diese haben zusehends Schwierigkeiten mit derAufgabe, den Schall in für das Nervensystem verständliche Signale umzuwandeln. Bis heute gibt es keine wirksame medikamentöse Therapie zur Behandlung der Innenohrschwerhörigkeit. Die einzige Hilfe bieten Hörgeräte oder in schweren Fällen technische Implantate. Sie erlauben es den Betroffenen, ihren Hérverlust mittels Tonverstärkern einigermassen zu kompensieren.

Schillinger titelt "Vielversprechende Perspektiven". Die Forscher von Inception3 setzen anstellte dieser bislang rein mechanischen Symptombekämpfung nun bei den biologischen Ursachen an. Sie fokussieren auf Therapie und Heilmittel, mit deren Hilfe die Haarzellen im Innenohr geschützt, regeneriert und wieder funktionstüchtig gemacht werden sollen.

Aus dem Beitrag von Pirmin Schillinger geht hervor, dass die Pharmaindustrie sich nun ernsthaft der Behandlung von Schwerhörigkeit annehmen will. Für Roche bedeutet die Schwerhörigkeitsforschung ein neues Gebiet, auf dem der Konzern bislang nicht tätig gewesen war. Aufs Parkett der Schwerhörigkeit haben sich die anderen Grosskonzerne der Branche kaum vorgewagt. Bei Roche glaubt man aber an rasche Fortschritte. Die Hoffnungen beruhen vor allem auf den neuen Technologien mittels Stammzellen.

Und noch etwas ist neuartig, nämlich das Geschäftsmodell von Inception3, welches sich auf die Zusammenarbeit zwischen drei höchst unterschiedlichen Partnern aus Finanzwelt, Biotechnologie und Big Pharma abstützt. Denn Roche haben erkannt, dass ein Alleingang für die Bewältigung eines solch komplexen Projekts nicht sinnvoll bzw. erfolgversprechend wäre.

Aus dem Beitrag geht unter anderem hervor, dass anhand der Berechnung von Inception3 und Roche bestenfalls in zwei Jahren ein Wirkstoff für Labortests vorliegen könnte. Nicht auszuschliessen sei, dass dann wie schon in Sheffield wiederum Rennmäuse daran glaube müssen. Aus dem einfachen Grund, weil ihre Hörorgane dem menschlichen Ohr sehr ähnlich sind.

Ich denke zwei Jahre ist ein sehr kurze Zeit, und ich könnte mir vorstellen, dass es den Forschern gelingen wird, in einem relativ überschaubaren Zeitfenster, ein Medikament gegen Schwerhörigkeit auf den Markt zu bringen, nicht nur für Mäuse, sondern für uns Menschen. Dies wäre geradezu revolutionär.

Also hoffen wir auf ein Wunder.

Herzlich Grüsse

Roger Ruggli
(Master of Arts (M.A.) Redaktor von Sonos


Dienstag, 11. Dezember 2012

Kinder mit Hörschäden und Cochlea-Implantat: Spracherwerb fördert die Entwicklung




Kinder mit Hörschäden können dank Cochlea-Implantat hören und sprechen lernen. Der Weg zu diesem Ziel ist allerdings weit. Trotz großer Hilfsbereitschaft erschweren oder verbauen viele Eltern diese Chance. Wie können Erwachsene einem Kind mit Cochlea-Implantat wirklich helfen? Professorin Dr. Gisela Szagun hat ihre langjährigen Forschungsergebnisse in einem alltagspraktischen Ratgeber zusammengefasst.

Kinder mit Hörschäden können dank Cochlea-Implantat hören und sprechen lernen. Der Weg zu diesem Ziel ist allerdings weit. Trotz großer Hilfsbereitschaft erschweren oder verbauen viele Eltern diese Chance. Wie können Erwachsene einem Kind mit Cochlea-Implantat wirklich helfen? Professorin Dr. Gisela Szagun hat ihre langjährigen Forschungsergebnisse in einem alltagspraktischen Ratgeber zusammengefasst.

Als oberste Maxime für das Gespräch mit Cochlea-Implantat-Kindern empfiehlt die Psychologin: Erhalten sie die natürliche Sprechweise und fördern die Kommunikationsfreude! Daraus resultieren vier Anregungen:

  • Folgen sie dem Thema des Kindes und sprechen über das, was es interessiert

  • Sprechen sie in kurzen oder moderat langen Sätzen

  • Sprechen sie nicht zuviele Sätze hintereinander, sondern warten sie auf die Reaktion des Kindes

  • Kommt vom Kind keine Sprache, sprechen sie weiter und bleiben bei Themen, die das Kind interessieren.

Szagun warnt davor,

  • Sprache lehrend zu gestalten

  • überdeutlich und verzerrt zu sprechen

  • auf einer korrekten Aussprache zu bestehen

  • aufdringlich zum Sprechen aufzufordern

  • das inhaltliche Interesse des Kindes zu verlieren.

Anhand konkreter Gesprächsbeispiele zeigt die Psychologin Wege zur Sprache und häufige Barrieren. Auch wenn das Cochlea-Implantat nur unvollkommene Ergebnisse ermöglicht und das Kind die Gebärdensprache beherrscht, bieten das akustische Hören und Sprechen viele Vorteile. Szagun verdeutlicht den Hintergrund:

  • Sprache als Symbolsystem repräsentiert die Wirklichkeit

  • als Teil der frühkindlichen Entwicklung entsteht die Symbolfunktion

  • diese ermöglicht es, eine Welt der Begriffe und des Denkens aufzubauen

  • wird ein sprachliches System nicht rechtzeitig aufgebaut, können weitere Entwicklungsverzögerungen entstehen
 
Gisela Szagun: Wege zur Sprache - Ein Ratgeber zum Spracherwerb bei Kindern mit Cochlea-Implantat.
Pabst 2012, 110 Seiten, ISBN 978-3-89967-824-6