Mittwoch, 28. März 2012

Forschung aus Österreich verändert die Welt - BILD

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BILD zu OTS - Die B & C Privatstiftung hat den Houska Preis in den letzten Jahren als größten privaten Forschungsförderungspreis etabliert. Im Bild: Dr. Erich Hampel, Vorstandsvorsitzender der B & C Privatstiftung.
Fotograf: KURT KEINRATH
Fotocredit: B & C / K. Keinrath
Ort: Österreich / Wien

Wien (OTS) - Der Houska Preis der B & C Privatstiftung ist mit
einer Dotierung von 300.000 Euro der größte private
Forschungsförderungspreis in Österreich. Aus vierzig eingereichten
Forschungsprojekten österreichischer Universitäten wurden nun die
zehn besten Beiträge für die Preisverleihung am 26. April 2012
nominiert.

   40 Forschungsteams von 22 österreichischen Universitäten reichten
in diesem Jahr ihre besten Projekte für den Houska Preis ein. Dieser
Forschungspreis, der von der B & C Privatstiftung initiiert und seit
2005 jährlich vergeben wird, hat sich in den letzten Jahren als
bedeutendste private Forschungsförderungsinitiative in Österreich
etabliert. Eine Erhöhung der Gesamtdotierung von 270.000 Euro auf
300.000 Euro für das laufende Auszeichnungsjahr und die Ausweitung
der Einladung auf Universitäten mit Schwerpunkten abseits
naturwissenschaftlicher und technischer Forschungsfelder hat sich
sehr positiv auf die Anzahl und Qualität der Einreichungen
ausgewirkt. Beim Houska Preis werden Projekte ausgezeichnet, die an
österreichischen Universitäten gemeinsam mit Wirtschaftspartnern
initiiert und umgesetzt werden. Die Preisverleihung findet am 26.
April in Wien statt.

Wirtschaft und Forschung: Erfolgreiche Zusammenarbeit

   Dr. Erich Hampel, der Vorstandvorsitzende der B & C
Privatstiftung, ist mit dem hohen Niveau der diesjährigen
Nominierungen zufrieden: "Innovation und Forschung sind wesentliche
Erfolgsfaktoren für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich.
Die Förderung des österreichischen Unternehmertums, die seit dem
Gründungsjahr der zentrale Auftrag der B & C Privatstiftung ist,
beinhaltet neben dem Engagement der B & C Gruppe als Kernaktionär von
bedeutenden österreichischen Industrieunternehmen auch das
Vorantreiben und Fördern von universitärer Forschung. Im Fokus stehen
dabei Forschungsarbeiten, die für Wirtschaftsunternehmen nutzbar
gemacht werden können und damit Wettbewerbsvorteile erzeugen."

10 Nominierungen - Preisverleihung am 26. April

   Aus den 40 eingereichten Projekten nominierten die Mitglieder
eines prominent besetzten Fachbeirats nach Einholung von Expertisen
aus ihrem internationalen Wissenschaftsnetzwerk die zehn besten
Forschungsprojekte. Aus diesen wählt nun eine hochkarätige Fachjury
die besten drei Projekte aus, die schließlich bei der Preisverleihung
am 26. April in Wien mit dem Houska Preis ausgezeichnet werden. Die
Nominierungen reichen von einem Projekt zur Entwicklung einer
speziellen Kinder-Querflöte über den umweltschonenden Einsatz von
Sonnenblumenöl als Papierleimungsmittel bis hin zu neuartigen
Materialdesigns für die Automobilelektronik.

Überblick: Nominierte Projekte für den Houska Preis 2011 (Reihung der
Projekte willkürlich)

   Entwicklung einer Querflöte mit Omega-Kopfstück zur Anwendung im
Unterricht von Kindern im Alter bis zu 12 Jahren
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Leonard Bernstein Institut für Blas- und Schlaginstrumente
o. Univ.-Prof. Barbara Gisler-Haase

   Element-Analyse komplexer industrieller Oxid-Materialien mit
kalibrationsfreier Laser-induzierter Durchbruch-Spektroskopie
Johannes Kepler Universität Linz
Institut für Angewandte Physik, CD Labor für Laser-Assistierte
Diagnostik
A. Univ.Prof. Dr. Johannes D. Pedamig, A. Univ.Prof. Dr. Johannes
Heitz

   Combustion Concept J920 - Ein hocheffizientes Verbrennungskonzept
für den neuen 9,5 MW Jenbacher Gasmotor von GE
Technische Universität Graz
Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik
Forschungsbereich LEC (Large Engines Competence Center)
Ao. Univ.Prof. Dr. Andreas Wimmer

   Neue Papierleimungsmittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe
Universität für Bodenkultur Wien
Department für Chemie/Christian-Doppler-Labor "Moderne
Cellulosechemie und -analytik"
Univ.Prof. Dipl. Chem. Dr. Thomas Rosenau

   MOSES - Monitoring-basierte Software für die Lebenszeitbewertung
ermüdungsgefährdeter Strukturen
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Konstruktiven Ingenieurbau
Ao. Univ.Prof. Alfred Strauss

   Licht in die Kraftwerke der Zellen
Medizinische Universität Innsbruck
D.Swarovski Research Laboratory (DSL), Univ. Klinik für Visceral-,
Transplantations- und Thoraxchirurgie
A.o. Univ.Prof. Dr. Erich Gnaiger

   "Klein, robust und effektiv": Miniaturisierte Werkstoffe und
verständnisbasiertes Werkstoffdesign für eine zuverlässige
Automobilelektronik
Montanuniversität Leoben
Department Materialphysik
Univ.Prof. Dr. Dipl.Ing. Gerhard Dehm

   Konzept und Realisierung eines Cochlea-Implantat Systems zur
Feinstruktursimulation
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik
Univ.Doz. DI Dr.techn. Clemens Zierhofer

   Eine Plattform für industrielle Produktion von Peptiden/Proteinen
in Bakterien
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Institut für Biochemie
a.o. Univ.Prof. Dr. Bernhard Auer

   Datenbasierte Modelle zur Effizienzsteigerung von
Verbrennungsmotoren und Hybridantriebskomponenten
Technische Universität Wien
Institut für Mechanik und Mechatronik
Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.techn. Stefan Jakubek

Fachbeirat Houska Preis 2011

 - Prof. Dr. Michael Obersteiner, Delegationsleiter am International
Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) Ecosystems Services
and Management Program

 - Mag. Martin Payer, Geschäftsführer der Polymer Competence Center
Leoben GmbH

 - Prof. Dr. Dirk Trauner, Professor für Chemie und Biochemie an der
Ludwig-Maximilians-Universität München

Fachjury Houska Preis 2011

 - Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger, Vorstand des Instituts
für Medizinische Genetik und Organisationsleiter des Zentrums für
Pathobiochemie und Genetik, Medizinische Universität Wien

 - Prof. Ing. Dr. Anke Kaysser-Pyzalla, Wissenschaftliche
Geschäftsführerin und Sprecherin der Geschäftsführung,
Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH

 - Mag. DDr. Regina Prehofer, Vizerektorin für Finanzen und
Infrastruktur, Wirtschaftsuniversität Wien

 - Dkfm. Dr. Claus J. Raidl, Präsident der Oesterreichischen
Nationalbank

 - Univ.-Prof. DI Dr. Peter Skalicky, Stellvertretender Vorsitz des
Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE)

   Abstracts der nominierten Forschungsprojekte und weitere
Informationen finden Sie im Internet auf www.houskapreis.at

Über die B & C Privatstiftung

   Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 hat sich die B & C Privatstiftung
gemeinsam mit ihrer Tochtergesellschaft B & C Industrieholding als
wichtiger Faktor im österreichischen Wirtschaftsleben etabliert. Dem
Stiftungsvorstand war und ist es gemäß dem Stiftungszweck stets ein
Anliegen, den wirtschaftlichen Fortbestand sowie das Wachstum jener
Unternehmen, an denen die Privatstiftung unmittelbar und mittelbar
beteiligt ist, nachhaltig sicherzustellen. Die Förderung des
österreichischen Unternehmertums ist dabei nicht nur ehrgeizige
Vision, sondern bestimmt die Entscheidungen der B & C Gruppe.
Vorstandsvorsitzender der B & C Privatstiftung ist Dr. Erich Hampel,
Stellvertreter des Vorsitzenden ist Mag. Georg Bauthen und Mitglied
des Vorstands ist Dr. Wolfgang Hofer.

Weiterführende Links:

www.houskapreis.at
www.bcprivatstiftung.at

   Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

Rückfragehinweis:
   currycom communications GmbH
   Mariahilfer Straße 99, 1060 Wien
   Tel.: 01/599 50, Fax: 01/599 50-509
   Ansprechpartner: Stefan Deller
   E-Mail: stefan.deller@currycom.com

Dienstag, 20. März 2012

Taubheit: Mit moderner Technik zu einem neuen Gehör

07. Dezember 2010
Text: Angela Lembo



Ein Schaden im Innenohr lässt sich kaum heilen. Viele Betroffene resignieren und ziehen sich zurück. Das muss nicht sein. Immer ausgefeiltere Hörgeräte oder Cochlea-Implantate bringen die Töne wieder.

Das Implantat
So schummelte sich der Familienvater viele Jahre durchs Leben. Von einer Alternative wollte er nichts wissen. Dabei gab es die. «Wer mit dem besten Hörgerät nicht ausreichend hören kann, ist ein Kandidat für ein Cochlea-Implantat», sagt Ohrenspezialist Huber.

Dazu ist eine Operation nötig. Sie wird ebenso wie das Implantat selbst von den Krankenkassen bezahlt und dauert rund zwei Stunden. Der Patient liegt in  Vollnarkose, während ihm die Ärzte eine Elektrode in die Hörschnecke einführen. Diese ersetzt die Funktion der Flimmerhärchen und gibt später die elektrischen Hörimpulse über den Hörnerv, der noch intakt sein muss, ans Gehirn weiter.

Das nötige Gegenstück zu diesem eingepflanzten Implantat ist ein Hörgerät. Es empfängt den Schall von Sprache, Klängen und Geräuschen und wandelt ihn in elektrische Impulse um. Per Radiowelle werden diese unter die Haut ans Implantat gesendet und gelangen so ins Gehirn. Von einem Cochlea-Implantat profitieren
auch taube Babys und Kleinkinder. Das Implantat muss aber vor dem Schulalter eingesetzt werden, weil sonst die Erfolgsaussichten gering ist. Kinder lernen Sprache normalerweise in den ersten sechs Lebensjahren. «Waren sie in dieser Zeit taub, wird ihnen danach ein Cochlea-Implantat nichts nützen, weil ihr Hirn die  empfangenen Laute nicht als Sprachinformation erkennt.»

Von einem Cochlea-Implantat wollte Roland Sartor jahrelang nichts wissen. Er klammerte sich an das, was er hatte: «Von 100 Wörtern verstand ich 20 einigermassen», erinnert sich der Architekt, «und ich hatte grosse Angst, dies Wenige auch noch zu verlieren, wenn das Implantat nicht funktionieren sollte.»

Tatsächlich werden mit dem Einführen der Elektrode in die Hörschnecke die wenigen noch intakten Flimmerhärchen zerstört. «Ohne sein Hörgerät zum Cochlea-
Implantat ist der Patient nach der Operation taub», sagt Alexander Huber. «Doch sobald er das Hörgerät trägt, versteht er viel mehr als vor der Operation.» Dass ein Implantat aus technischen Gründen nicht funktioniert, kommt sehr selten vor. Geschieht es dennoch, muss das Gerät in einer weiteren Operation entfernt und durch ein neues ersetzt werden.

Das neue Hören
Bei Roland Sartor funktionierte das Gerät auf Anhieb. Vor 14 Jahren liess er sich endlich ein Cochlea-Implantat einsetzen. Vier Wochen nach der Operation waren die Wunden verheilt, und er setzte zum ersten Mal sein neues Hörgerät auf. Endlich waren die Töne wieder da. Selbst solche, die er eigentlich gar nicht hören wollte. Über den Flur der Ohrenklinik stolzierte eine Frau mit hohen Absätzen, und in Roland Sartors Ohr machte es laut «klick-klack». «Oje», stöhnt er, «jetzt höre ich auch das wieder.» Und freute sich trotzdem darüber.

Wer neu ein Cochlea-Implantat trägt, muss das richtige Hören wieder lernen. Zu Beginn empfindet er jedes Geräusch gleich intensiv. «Der Patient muss herausfinden, welche Töne wichtig sind und welche nicht», sagt Alexander Huber. «Mit der Zeit wird er das Klacken der Absätze nicht einmal mehr wahrnehmen.»

Um das zu lernen, ging Roland Sartor im ersten Jahr regelmässig in ein Hörtraining. Sein Implantat trägt der inzwischen 64-jährige nun seit 14 Jahren. Von 100 Wörtern versteht er 98. Bei guten akustischen Bedingungen führt er Gespräche, ohne zu schummeln − sogar am Telefon. Heute berät er andere Hörbehinderte, die sich nicht zu einem Implantat durchringen können, und wundert sich manchmal noch über sich selbst. «Ich verstehe nicht, warum ich so lange gewartet habe.»

Tücken der Technik

Cochlea-Implantate helfen ertaubten Menschen, wieder zu hören. Doch es gibt auch Risiken, wie jüngste Berichte über den Hörgeräte-Hersteller Sonova zeigen. Die Firma war in die Schlagzeilen geraten, weil sie ein Cochlea-Implantat (CI) ihrer Tochter Advanced Bionics vom Markt zurückgerufen hatte. Der Grund: Zwei Patienten
verspürten etwa zehn Tage nach dem Einsetzen des Implantats starke Schmerzen und empfanden die Geräusche als viel zu laut. Beide Fälle ereigneten sich nicht in  der Schweiz.

«Solche Probleme sind sehr selten, und man sollte sie nicht dramatisieren», sagt Hans-Jörg Studer, Präsident der Interessengemeinschaft Cochlea-Implantate  Schweiz und selbst CI-Träger. Neben den Risiken, die eine Operation mit sich bringt, besteht beim Einsetzen eines CI die Gefahr, dass das Gerät aus technischen  Gründen nicht funktioniert. Das geschieht in weniger als 2 von 1000 Implantaten pro Jahr. In einer Folgeoperation muss dann das Gerät ersetzt werden.

Aufbau des menschlichen Gehörs

In einem gesunden Ohr gelangen Töne als Schallwellen urch den Gehörgang zum Trommelfell. Über die Gehörknöchelchen im Mittelohr wird der Schall ans Innenohr
weitergeleitet. Hier, in der Gehörschnecke (Cochlea), wandeln winzige Flimmerhärchen den Schall in elektrische Impulse um. Diese werden über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet, wo sie als Geräusche, Klänge oder Sprache interpretiert und verarbeitet werden. Dieser Hörvorgang kann an unterschiedlichen Stellen gestört
sein. Ohrenschmalzpfropfen und Infektionen des Gehörganges gehören zu den typischen Problemen im äusseren Ohr. Im Mittelohr können Entzündungen, Verletzungen des Trommelfells oder eine Verkalkung der Gehörknöchelchen das Hören behindern. Die Störungen im äusseren und im Mittelohr nennt man  Schallleitungsschwerhörigkeit.

Sie lässt sich meist durch Medikamente oder eine Operation beheben. Liegt das Problem dagegen im Innenohr, gibt es nur selten eine Chance auf Heilung. Bei dieser sogenannten Schallempfindungsschwerhörigkeit sind die Flimmerhärchen beschädigt. Bis heute haben die Forscher nicht herausgefunden, wie sich diese Sinneszellen
erholen könnten. Hilfe bietet den Betroffenen ein Hörgerät, das die Töne für sie verstärkt und aus dem Hintergrundlärm herausfiltert.

Nützt das nichts, raten Experten zu einem Cochlea-Implantat. Dafür wird eine Elektrode in die Hörschnecke gelegt, welche die Aufgabe der Flimmerhärchen übernimmt und die Impulse ans Hirn weiterleitet.

Das Gegenstück dazu ist eine Art Hörgerät, der sogenannte Sprachprozessor. Er empfängt den Schall von Sprache, Klängen und Geräuschen und wandelt ihn in elektrische Impulse um. Per Radiowelle werden diese unter die Haut zum Implantat gesendet und gelangen so über die Elektrode ins Gehirn.



Weitere Informationen finden Betroffene und  ihre Angehörigen bei der Hörbehindertenvereinigung pro audito Schweiz www.pro-audito.ch oder bei der CI-Interessengemeinschaft Schweiz www.cochlea-implantat.ch

Mittwoch, 14. März 2012

"Ohrerkrankungen in Klinik und Praxis"



1. Thüringer HNO-Symposium

Gera  (srh) - Am Samstag, dem 24. März 2012, lädt die Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde/Plastische Operationen des SRH Wald-Klinikums Gera gemeinsam mit den Chefärzten aller Thüringer HNO-Kliniken von 08:30 Uhr bis 15:30 Uhr ins NOVOTEL Gera zu einem Symposium mit dem Leitthema Ohrerkrankungen ein.

Das Symposium richtet sich an Fachärzte für HNO-Heilkunde, Kinderärzte und Hausärzte sowie interessierte Kollegen anderer Fachgebiete, an medizinisches Assistenzpersonal und interessierte Patienten.
Erwartet werden spannende Vorträge zu aktuellen Aspekten der Behandlung des chronischen Mittelohrkatarrhs, der wiederkehrenden Gehörgangsentzündung, der operativen Behandlung von Schwerhörigkeiten und chronischen Mittelohrentzündungen sowie Informationen zu implantierbaren Hörgeräten und der Hörrehabilitation mit Cochlear-Implantaten.

Diese klinisch-praktisch orientierten Themen werden Anlass zu lebhafter Diskussion unter den Fachkollegen geben können. Wir erhoffen uns eine rege Teilnahme sowohl niedergelassener Kollegen als auch von Klinikärzten, so dass eine Sektor übergreifende Abstimmung der Behandlungspfade erfolgen kann. Zugleich wird die Veranstaltung Gelegenheit zu einer berufspolitischen Diskussion geben.

HÖRBEHINDERUNG: Im Cochlea Implantat Centrum Süd in Würzburg lernen Kinder Sprache verstehen

Nicht mehr von Menschen getrennt
Von unserer Mitarbeiterin Pat Christ


Mit Hilfe von Perkussionsinstrumenten ergründet Johannes im Einzeltherapieraum des CIC Süd zusammen mit Logopädin Sabine Speidel die rhythmischen Geheimnisse der Sprache.

WÜRZBURG. Wer sehr schlecht hört, riskiert, isoliert zu werden. "Blindheit, denken die meisten Menschen, sei die schlimmste Sinnesbehinderung", sagt der Würzburger Psychologe Rudi Kroker. "Doch Blindheit trennt 'nur' von Dingen. Gehörlosigkeit hingegen trennt von Menschen." In dem vor 15 Jahren gegründeten "Cochlea Implantat Centrum Süd" der Würzburger Stiftung Hör-Sprachförderung, das Kroker leitet, lernen 170 gehörlose Kinder und Jugendliche, mit Hörprothesen Akustisches einzuordnen und zu sprechen.

Ein richtiger "Schock"

Die Diagnose "Gehörlosigkeit" bringt Eltern zunächst aus dem seelischen Gleichgewicht, so Korker: "Das ist für die meisten ein richtiger Schock." Im "CIC Süd" lernen Mütter und Väter aus Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen, so mit der Behinderung ihres Kindes umzugehen, dass es bestmöglich gefördert wird. Die Krankenkassen finanzieren Eltern implantierter Kindern innerhalb von zwei bis fünf Jahren insgesamt 60 Rehatage. Ein Teil der 170 zwischen neun Monaten und 19 Jahre alten Kinder und Jugendlichen erhält alle zwei Wochen für einen Tag, andere alle vier bis sechs Wochen für zwei Tage Hör- und Sprachtherapie sowie musikalisch-rhythmische Förderung.

Sportfan und Musikliebhaber Johannes Heinl "feiert" heute seinen 50. Rehatag. "Es ist schön hier, es gibt zum Beispiel interessante Turngeräte", sagt der gehörlose Achtjährige aus Ingolstadt, der gerne Rollschuhe läuft, seit Anfang 2010 Gitarre spielt und gerade überlegt, ob er in einen Sportverein eintreten soll. Mit zwei Jahren bemerkte seine Mutter Birgit Heinl, dass bei Johannes etwas anders ist als bei seinen beiden Geschwistern: "Er sagte immer noch nicht 'Mama' oder 'Papa'." In der Klinik wurde die Hörbehinderung des Jungen diagnostiziert. Eine Frühförderpädagogin riet dazu, Johannes ein "künstliches Innenohr" einpflanzen zu lassen. Was in der Würzburger Uniklinik geschah.

Die Zahl der neu mit einem Cochlea Implantat versorgten Gehörlosen liegt in Deutschland, mit steigender Tendenz, bei rund 2000 Patienten pro Jahr. Bei der Operation wird ein Empfänger hinter dem Ohr im Schädelknochen verankert.

Auf diesen Empfänger werden die von einem Sprachprozessor aus Schallwellen umgewandelten, elektrischen Signale übertragen und zu einer Elektrode geleitet, die den Hörnerv in der Gehörschnecke (Cochlea) reizt. Der Sprachprozessor ist so groß wie ein Hörgerät und wird wie dieses hinterm Ohr getragen. Ebenfalls am Ohr befindet sich eine Sendespule, welche die vom Sprachprozessor eintreffenden Signale an das Implantat unter der Haut transportiert.

Da keine Therapiemethode von unerfreulichen Nebenwirkungen frei ist, gilt es auch vor der Cochlea-Operation abzuwägen, welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind. "Man kann die Geräte nicht immer tragen, zum Beispiel nicht während einer Sportart, bei der man stark schwitzt", erläutert Logopädin Sabine Speidel vom Cochlea Implantat Centrum Süd. Die Hörbehinderung ist mit der Prothese also nicht beseitigt. Schwimmen und Baden sind nicht möglich, auch nachts müssen der digitale Sprachprozessor und die Sendespule entfernt werden. Schließlich ist das Gerät anfällig, so Speidel: "Es kann zum Beispiel recht schnell ein Kabelbruch passieren."

Johannes kommt beim Schwimmen und Baden zugute, dass er in der Lippenablesetechnik versiert ist. Er versteht seine Mutter dann also immer noch. "Allerdings kann höchstens 30 Prozent des Gesprochenen vom Mund abgelesen werden", sagt Psychologe Kroker. Was daran liegt, dass Laute wie "K" und "R" im Mundbild nicht zu unterscheiden sind. Die meisten Gehörlosen kombinieren mehrere Techniken, um möglichst viel Akustisches mitzubekommen. Johannes, der inzwischen so deutlich reden und so gut hören kann, dass er in die Regelschule geht, beherrscht aus den Anfangsjahren seiner Sprachentwicklung zum Beispiel noch Gebärdensprache. Die hatte damals seine ganze Familie erlernt.

Fragen sind "nervig"

Was den Jungen wurmt, ist, dass er so oft auf das "Ding" auf seinem Hinterkopf angesprochen wird. Seine Klassenkameraden wissen inzwischen, was es damit für eine Bewandtnis hat: "Nervig sind jedoch die fremden Kinder, die immer wieder fragen." Auf dem Pausenhof zum Beispiel oder dem Nachhauseweg. "Manchmal gehe ich dann einfach weg." Ob das die richtige Methode ist, damit umzugehen?, fragt ihn Rudi Kroker, zu dessen Aufgaben auch die entwicklungspsychologische Beratung der Familien gehört. Behutsam bringt er dem Jungen bei, anders zu reagieren: "Du könntest zum Beispiel einfach sagen, dass du nicht jetzt, aber später auf die Frage antworten willst."

Während Brillen inzwischen zum modischen Accessoire avanciert sind, gelten Hörgeräte und vor allem Cochlea Implantate noch immer als fremd - zumal in jungen Jahren. Wie Kinder und Jugendliche mit der ästhetischen Seite ihrer Hörbehinderung umgehen, ist laut Logopädin Sabine Speidel ganz unterschiedlich: "Manche wählen bewusst grellfarbige oder mit Glitzersteinchen versehene Sprachprozessoren. Andere schauen, dass Prozessor und Sendespule unter dem Haar möglichst unsichtbar sind." Im Würzburger Reha-Zentrum tauschen sich die Jugendlichen über ihre Erfahrungen aus. Und lernen voneinander, Hörenden gegenüber selbstbewusst mit ihrer Behinderung umzugehen.

© Fränkische Nachrichten, Samstag, 07.01.2012

Mittwoch, 7. März 2012

Was tun, wenn das Baby nicht hören kann? - Zeitschrift „Schnecke“ informiert über die frühe technische Versorgung hörgeschädigter Säuglinge

07.03.2012 - 13:04

Wird die Hörschädigung bereits in den Wochen nach der Geburt erkannt, sehen die Fachleute für das Kind die größten Chancen: Bei einer frühzeitigen Diagnose haben hörgeschädigte Babys dank moderner Technik und professioneller Unterstützung heute beste Aussichten, Hören und Sprechen zu lernen sowie sich altersgemäß zu entwickeln. Doch für Familien, die erstmals mit der Diagnose Hörschädigung konfrontiert werden, stellt sich die Situation meist ganz anders dar. Neben der Freude über ihr Kind erleben die Eltern sowohl Angst, Unsicherheit und Traurigkeit als auch Schuld- und Pflichtgefühle – Eile ist geboten. Zugleich gilt es, Ruhe zu bewahren und mit der Diagnose umgehen zu lernen.
„Es gibt nicht den einen Zeitpunkt, ab dem man die Hörstörung des Kindes annehmen kann“, schreibt die Hörgeschädigten-Pädagogin Gisela Batliner in der Fachzeitschrift „Schnecke“. „Es gibt immer Momente und auch Phasen, in denen dies gut oder eben auch nicht so gut gelingt. Was bei diesem Prozess unterstützend wirken kann, ist individuell sehr verschieden: Gespräche mit Familie und Freunden, mit Fachleuten und anderen betroffenen Familien, im Internet recherchieren, sich Zeit für sich selbst nehmen, oder die Beschäftigung mit dem Glauben.“
In ihrer aktuellen Ausgabe widmet sich die „Schnecke“ zahlreichen Aspekten der frühkindlichen Hör-Versorgung. Neben wichtigen Verfahren der audiologischen Diagnostik bei Säuglingen werden moderne Hörhilfen vorgestellt, die bereits für die Allerkleinsten verwendet werden. Der Leser erfährt nicht nur, bei welchen Kindern Hörgeräte, Hörsysteme mit Knochenleitung oder elektrisch stimulierende Hörsysteme wie das Cochlea- oder das Hirnstamm-Implantat eingesetzt werden. Erläutert wird auch, warum jedes Baby ein eigenes, ganz individuell angepasstes Hörsystem benötigt, und warum bei der Begleitung von Eltern und Kind eine stabile Zusammenarbeit von Fachleuten aus Medizin, Pädakustik und Frühförderung mitentscheidend ist.
Zur „Anpassung von Sprachprozessoren als Basis der lebenslangen CI-Nachsorge bei Kindern und Erwachsenen“ stellt die Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e.V. in der „Schnecke“ ein Positionspapier mit dem Ziel, die Weichen für die Zukunft zu stellen, vor.

Redaktioneller Hinweis:
Die „Schnecke“ ist eine seit 1989 erscheinende unabhängige Fachzeitschrift, die von der Deutschen Cochlear Implant Gesellschaft DCIG (www.dcig.de) herausgegeben wird. Die Zeitschrift, die als gemeinnützige GmbH agiert, informiert ihre Leser über die Themen Cochlea-Implantat, Schwerhörigkeit, Taubheit, Tinnitus, Hörgeräte und Hör-Hilfsmittel. Fachbeiträge und Erfahrungsberichte von Betroffenen vermitteln dem Leser einen besonders tiefen Einblick in die Problematik von Hörschädigungen und in ihrer Bewältigung. Zugleich bietet die Zeitschrift den Lesern ein Forum und vielfältige Kontaktmöglichkeiten. Thematischer Schwerpunkt ist das Leben mit Cochlea-Implantaten (CI) und Hörgeräten. Die „Schnecke“ erscheint viermal jährlich mit einer aktuellen Auflage von 6.000 Exemplaren. Die Redaktion hat ihren Sitz in Illertissen; Chefredakteurin der „Schnecke“ ist Hanna Hermann. Seit 2008 gibt es in Ergänzung zur Print-Ausgabe der „Schnecke“ das Informationsportal www.schnecke-online.de, das im Februar 2012 grundlegend relaunched wurde. Sie finden nun auch eine Literaturdatenbank sowie ein Expertenverzeichnis.

Sonntag, 4. März 2012

Klinikum Bad Hersfeld bietet „Medizin im oberen Segment“

02.03.2012 - BAD HERSFELD


Zahlreiche spezielle Abteilungen vom Herzkatheterplatz bis zur Strahlentherapie - In den letzten 30 Jahren wurden rund 150 Millionen Euro investiert

(sgs). 577 Betten, 700 Pflegekräfte, 200 Ärzte, High-Tech-Medizin auf hohem Niveau und zahlreiche Spezialabteilungen - die wichtigsten Daten und Fakten des Klinikums Bad Hersfeld sind hier im Überblick zusammengefasst.

Wird das Klinikum Bad Hersfeld ebenfalls als kommunales Haus geführt?

Ja, wie in Alsfeld steht der Landkreis hinter der Einrichtung. Das Haus wird als GmbH geführt. Alleiniger Eigentümer und Gesellschafter ist der Landkreis Hersfeld-Rotenburg.

Als Geschäftsführer leitet Martin Ködding das Klinikum. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Landrat Dr. Karl-Ernst Schmidt.

Sind die beiden Krankenhäuser in Alsfeld und Hersfeld von der Größe her vergleichbar?

Nein, Hersfeld ist wesentlich größer und hat „im Prinzip alle Abteilungen, die große Kliniken auch haben“, betont Geschäftsführer Ködding. Zudem hat sich das Klinikum in verschiedenen Bereichen spezialisiert, wo mittlerweile „sehr komplizierte Operationen“ durchgeführt werden können wie beispielsweise in der Hals-Nasen-Ohren-Klinik: Dort werden sogenannte Cochlea-Implantate - das sind Hörprothesen für Gehörlose, deren Hörnerv aber noch funktioniert - eingesetzt. Zudem gibt es eine ganze Reihe weiterer spezieller Angebote in Hersfeld wie die Strahlentherapie in Kooperation mit Fulda, die Kinder-Radiologie oder einen Herzkatheterplatz.

Insgesamt stehen im Klinikum 577 Betten zur Verfügung, die Auslastung lag beim Besuch der OZ im Hause bei über 98,7 Prozent.

Wie viele Beschäftigte hat die Hersfelder Klinik?

Rund 1800 Menschen arbeiten im Krankenhaus selbst und den angegliederten Tochtergesellschaften, 700 von ihnen sind Pflegekräfte, hinzu kommen etwa 200 Ärzte. Unter ihnen sind eine Reihe von Fachleuten, deren Arbeit im obersten Segment der Medizin angesiedelt ist. Sie sind nicht nur in der Lage, die neuesten Operationen, Diagnosen und Therapien anbieten zu können, sie bringen zudem Patienten - auch aus anderen Regionen - mit nach Hersfeld. Ein Beispiel: In ganz Deutschland gibt es nicht einmal 50 Kinder-Radiologen, zwei von ihnen arbeiten im Klinikum Bad Hersfeld.

Außerdem ist das Klinikum Lehrkrankenhaus der Uni Gießen. Zahlreiche Medizinstudenten absolvieren ihr „Praktisches Jahr“ in Waldhessen und legen in Hersfeld ihr Staatsexamen ab. „Es freut uns auch immer wieder, dass sich frischgebackene Mediziner hier bewerben“, sagt Ködding.

Welche medizinischen Abteilungen hält Hersfeld vor?

Im Hersfelder Klinikum gibt es die Abteilungen Anästhesie und Intensivmedizin, Augenheilkunde, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gastroenterologie/Hepatologie, Innere Medizin und Onkologie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Kinderheilkunde, Urologie und Kinderurologie, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Radiologie. Seit 1980 neu hinzu gekommen sind die Abteilung für Nuklearmedizin, die Strahlentherapie (in Kooperation mit Fulda), Psychiatrie und Psychotherapie, Nephrologie und Diabetologie, Neurologie/Stroke Unit, Gefäßchirurgie, das Zentrum für klinische Geriatrie, die Kardiologie, die Neurochirurgie, die Palliativmedizin und die Abteilung für Pathologie, die von einem externen Betreiber übernommen wurde.

Prothesen der Zukunft


Ein integrierter Schaltkreis kann bestimmte Hirnfunktionen wiederherstellen

Neuroprothesen sollen eines Tages verlorengegangene Hirnfunktionen ersetzen können. Die Simulation einfacher Hirnprozesse ist bei Ratten bereitsgelungen.

Martin Angler

Prothesen als Ersatz für Gliedmassen wurden bereits im alten Ägypten eingesetzt und sind heute weit verbreitet. Prothesen im Gehirn sind dagegen noch kaum bekannt. In der Vision einiger Forscher können sie in Zukunft die ehemalige Funktion ausgefallener Hirnregionen übernehmen. Einer Gruppe von Forschern ist es vor kurzem gelungen, eine bestimmte Aufgabe des Kleinhirns bei Ratten zu simulieren. Ihre Ergebnisse haben sie auf zwei Konferenzen vorgestellt.

In Zürich entwickelt
Das Kleinhirn koordiniert Bewegungsabläufe. Zum Beispiel speichert es, welche Muskeln in welcher Reihenfolge beim Laufen angespannt und wieder entspannt werden müssen. Wird das Kleinhirn etwa durch einen Infarkt beschädigt, sind Koordinations- und Bewegungsstörungen die Folge. Ausserdem können Betroffene keine neuen motorischen Abläufe mehr erlernen. Hier soll künftig eine Neuroprothese Ersatz leisten.

Unter der Leitung von Paul Verschure haben Forscher am Institut für Neuroinformatik der ETH, der Universität Zürich und später an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, wohin Verschure wechselte, ein Computermodell entwickelt, das eine Lernfunktion des Kleinhirns simulieren kann. Als Grundlagen dienten den Forschern physiologische Studien, Verhaltensstudien und ein neuronales Modell, das die Neurowissenschafter Jeansok Kim und Richard Thompson 1997 entwickelt hatten. Dieses beschreibt die vollständige Signalübertragung zwischen dem Hirnstamm und dem Körper. Verschure und sein Team entwickelten daraus ein nahezu identisches Modell für den Aufbau eines elektronischen Schaltkreises. Auf dessen Grundlage programmierten sie zuerst Computer und dann integrierte Schaltkreise (Field Programmable Gate Arrays, FPGA), die die Nervenverbindungen im Kleinhirn simulierten.

FPGA werden in der Technik vor allem für die Signalverarbeitung in Echtzeit verwendet, und darum geht es bei der Neuroprothese. Sie erfasst die elektrischen Signale im Körper, gleicht sie mit Informationen aus anderen Teilen des Gehirns ab und schickt dementsprechend Signale in den Hirnstamm. Diese aktivieren motorische Neuronen, die dann Muskelkontraktionen im Körper auslösen. Die Datenübertragung erfolgt über Elektroden, die Signale zwischen dem Kleinhirn und dem Hirnstamm hin und her senden. Damit haben die Forscher für eine kleine Sensation gesorgt: Zum ersten Mal überträgt eine Neuroprothese Daten bidirektional. Andere solche Prothesen, wie Cochlea- und Retina-Implantate, können nur in eine Richtung Signale schicken (siehe Kasten).

An Ratten zeigte Verschure in Zusammenarbeit mit Matti Mintz von der Universität Tel Aviv, dass die Neuroprothese funktioniert und eine klassische Konditionierung nachahmen kann. Bei einer Konditionierung lernen Tiere einen angeborenen Reflex, etwa das Schliessen des Augenlids bei einem Luftstoss, mit einem neutralen Stimulus zu verbinden, in diesem Fall mit einem Tonsignal. Ertönt der Ton immer gleichzeitig mit dem Luftstoss, blinzeln die Tiere nach ein paar Trainingsrunden auch wenn der Ton allein ertönt.

In ihrem Experiment betäubten die Forscher die Ratten mit einem Anästhetikum. Damit deaktivierten sie zugleich deren Kleinhirn und Lernfähigkeit. Dann spielten sie einen Ton ab und lösten zeitgleich den Lidschlussreflex durch einen Luftstoss aus. Da das Kleinhirn bei der Konditionierung eine wichtige Rolle spielt, hatte das Training nicht den erwarteten Effekt. Erst nachdem die Forscher in einem zweiten Durchgang den Prototyp der Neuroprothese hinzugeschaltet hatten, lernten die narkotisierten Tiere, in Reaktion auf das Tonsignal zu blinzeln. Diese spezielle Lernfunktion des Kleinhirns konnte die Prothese also erfolgreich imitieren.

Mit einigen Zentimetern ist die Neuroprothese noch zu gross, um sie zu implantieren. Sie muss deshalb von aussen durch die Schädeldecke mit dem Hirnstamm verbunden werden. Allerdings sei bei der derzeitigen Entwicklungsgeschwindigkeit eine Miniaturisierung nur eine Frage der Zeit, sagt Verschure. Auch der Stromverbrauch ist für eine medizinische Verwendung der Prothese zu hoch – sie konsumiert derzeit mehrere Watt. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher Herzschrittmacher benötigt durchschnittlich 10 Mikrowatt. Es gibt also noch einige technische Herausforderungen.

Eine Hilfe fürs Gedächtnis
Der Hirnforscher Theodore Berger von der University of Southern California verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Verschure und Mintz. Im Sommer 2011 stellte er eine Neuroprothese fertig, die eine verlorene Gedächtnisfunktion ersetzen soll. Berger spezialisierte seine Prothese für den Einsatz im Hippocampus, wo die Übertragung von Informationen in das Langzeitgedächtnis geschieht. Der Neurowissenschafter implantierte 32 Messelektroden in den Hippocampus von Ratten. Damit konnte er den Weg der Signale über die Nervenbahnen verfolgen. Anhand der dadurch gewonnenen Erkenntnisse entwickelte er einen Algorithmus, der die Übertragung von Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis imitiert.

Der Prototyp kam erstmals bei Ratten zum Einsatz. Die Forscher brachten den Tieren mithilfe einer Belohnung bei, einen von zwei Hebeln zu drücken. Nachdem der Weg der Übertragung vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis medikamentös deaktiviert worden war, konnten sich die Ratten nach einer Weile nicht mehr daran erinnern, welchen Hebel sie drücken mussten. Schliesslich wiederholten die Forscher das Experiment mit Tieren, denen sie eine Neuroprothese implantiert hatten. Diese überbrückte die blockierte Signalübertragung, so dass sich die Ratten an den richtigen Hebel erinnerten. Beim Einsatz der Prothese ohne vorherige Deaktivierung des Übertragungsweges beobachteten die Forscher zudem eine verbesserte Gedächtnisleistung: Die Ratten drückten häufiger den richtigen Hebel.

Tony Prescott, Professor für kognitive Neurowissenschaften an der Sheffield University, sieht derartige Neuroprothesen auch in Zukunft eher als Implantate für einzelne Aufgaben und nicht als Ersatz für ganze Hirnregionen. Denn die Geräte seien vorerst nur imstande, einfache Schaltkreise zu ersetzen. Für einige Patienten erwarte er dadurch aber einen enormen Nutzen.

Vor einer klinischen Anwendung gilt es jedoch, Nebenwirkungen abzuklären. Auch ethische Bedenken werden ein Thema sein. So muss bei kognitiven Neuroprothesen insbesondere untersucht werden, ob ein solches Implantat Auswirkungen auf die Persönlichkeit oder das Bewusstsein einer Person hat. Jens Clausen, Professor für Bioethik an der Universität Freiburg, stellt zudem die Frage nach dem Missbrauchspotenzial motorischer Neuroprothesen. Bei kabelloser Informationsübertragung bestehe die Möglichkeit, die Signale zu manipulieren und so im schlimmsten Fall die Kontrolle über einen Patienten zu übernehmen.

Einsatz in der Robotik
Derweil finden Neuroprothesen in der Forschung Verwendung. So können damit etwa neurowissenschaftliche Theorien über die Verschaltung des Gehirns empirisch getestet werden. Ausserdem könnten sie in der Robotik von Nutzen sein. So testet Verschure etwa, ob der von ihm verwendete Prototyp die Lernfähigkeit von humanoiden Robotern verbessern kann. Er stattete einen Roboter mit einem integrierten Schaltkreis aus, der so programmiert war, dass er Informationen aus den «Sinnesorganen» des Roboters verarbeitete. Näherte sich dieser einem Hindernis, sendete der Schaltkreis Signale an Sensoren, die dann eine Richtungsänderung auslösten. Ohne den Schaltkreis reagierten die Sensoren erst nach einer Kollision.

Verschure will das Gerät nun im Projekt «Robot Companions» testen, in dem humanoide Roboter für die Pflege älterer Menschen entwickelt werden. Sie sollen sich autonom in der Wohnung des Patienten bewegen und etwa bei Stürzen über Funk Hilfe anfordern können. Damit sie komplexe Abläufe wie einen Sturz auswerten könnten, müsse im Bereich Lernfähigkeit und künstliche Intelligenz noch einiges getan werden, sagt Verschure, hier könne die Neuroprothese ideal eingesetzt werden.