Freitag, 15. Februar 2013

Selbstbestimmt entscheiden statt Zwang zum Cochlea-Implantat



Quellen: www.ots.at

Stellungnahme des Österreichischen Gehörlosenbundes aus aktuellem Anlass zur einseitigen Beeinflussung von Eltern gehörloser Kinder zum Cochlea-Implantat (CI)

Wien (OTS) - Die Antidiskriminierungsstelle des ÖGLB dokumentierte
jüngst zwei Fälle der einseitigen Beeinflussung von Eltern gehörloser
Kinder. Hier soll Druck ausgeübt worden sein, um eine Einwilligung in
die chirurgische Implantation eines Cochlea-Implantats (CI) zu
erwirken.

Androhung der Einschaltung des Jugendamtes

In einem aktuellen Fall teilte eine Sozialarbeiterin eines Wiener
Krankenhauses der Mutter eines gehörlosen Kindes schriftlich und
unmissverständlich mit, dass das Krankenhaus eine Meldung beim
Jugendamt vornehmen werde, solle sie das CI weiterhin ablehnen.
Nach dem Beratungsgespräch durch einen Beauftragten der
Antidiskriminierungsstelle des ÖGLB hat Frau K. ein Ansuchen auf
Einleitung eines Schlichtungsverfahrens mit Krankenhaus gemäß Wiener
Antidiskriminierungsgesetz bei der Stelle zur Bekämpfung von
Diskriminierungen eingebracht. Bei der Schlichtungsverhandlung im
Jänner dieses Jahres wurde eine Einigung zwischen Frau K. und
der Oberärztin der HNO-Abteilung des Krankenhauses geschlossen. Das
Krankenhaus hat eine schriftliche Erklärung abzugeben, dass die
ablehnende Haltung gegenüber eines CI von Frau K. akzeptiert wird und
das Jugendamt nicht eingeschaltet wird.

Menschenrechte und Vielfalt

Österreich hat als einer der ersten Staaten die UN-Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert (BGBl. III
155/2008). Der Österreichische Gehörlosenbund bezieht sich hier
vor allem auf Artikel 3, in dem von der Achtung vor der
Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz
dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der
Menschheit die Rede ist.

In jedem Fall steht das Wohlbefinden des Kindes im Vordergrund.
Das körperliche, geistige und seelische Wohlergehen des gehörlosen
Kindes kann sowohl mit CI, als auch ohne CI gewährleistet
sein. Eltern muss es freistehen, sich für oder gegen eine
CI-Versorgung ihres gehörlosen Kindes zu entscheiden. Ebenso ist zu
gewährleisten, dass Eltern unabhängig von ihrer Entscheidung
entsprechende Unterstützung vom Staat erhalten.
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der
Persönlichkeit und selbstbestimmte Familienplanung ist in zahlreichen
internationalen Vereinbarungen und Menschenrechtsabkommen
festgeschrieben. Die Androhung der Einschaltung des Jugendamtes ist
hochgradig unsensibel und verletzt klar das Recht auf Autonomie.
Recht auf Selbstbestimmung

Der ÖGLB fordert die vollständige Anerkennung des Rechts
gehörloser und schwerhöriger Menschen, auf sprachliche und kulturelle
Selbstbestimmung. Dazu gehört eine umfassende und neutrale
Beratung, welche in gleicher Weise die medizinische Sichtweise der
HNO-Ärzteschaft, die soziokulturelle Sichtweise der gehörlosen
Menschen, sowie das Erlernen der Sprachen Deutsch und
Österreichische Gebärdensprache und die Gebärdensprachgemeinschaft
einbezieht. Gehörlose Menschen haben ein Recht darauf, ihre Kultur zu
leben und weiterzugeben und daher das Recht, gehörlos zu sein und
gehörlosen Nachwuchs zu haben.

Der ÖGLB fordert, dass beteiligte Eltern im Bewusstsein der
Chancen und Risiken einer CIImplantation eine eigenständige
Entscheidung treffen können. Die getroffene Entscheidung ist ohne
Einschränkung zu respektieren. Wir wenden uns gegen jeden Versuch der
HNO-Abteilungen durch einseitige Beratung Einfluss auf die Eltern zu
nehmen. Jede derartige Praxis von Androhung und
versuchter Nötigung ist von Krankenhäusern und HNO-Abteilungen zu
unterlassen und von den Verantwortlichen sofort zu unterbinden.

Die Stellungnahme im Volltext:
www.oeglb.at/html/s_content.php?id=LH2013-02-09-1315

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