Montag, 4. März 2013

„Da liegen Welten dazwischen“


16.02.2013 Von EDELGARD BERNAUER




Fridolin Hensler (88) war in der Nachkriegszeit ab 1949 als Junglehrer an der Stühlinger Volksschule und später an der Gehörlosenschule tätig.

Wer waren während Ihrer Stühlinger Zeit Ihre Kollegiumsmitglieder?
Schulleiter war damals Gustav Häusler. Von ihm bekam ich die erste Hinführung zur heimatgeschichtlichen Forschung, die mich bis heute beschäftigt. Lehrerkollegen waren Robert Moss, Paula Hoppenberg und Erika Fischer.

Wenn Sie an Ihre Stühlinger Zeit zurückdenken, was kommt Ihnen da in den Sinn?
Mein Berufsstart in Stühlingen war geprägt durch die Not der Nachkriegsjahre. Es gab noch Lebensmittelkarten, der knappe Wohnraum wurde bewirtschaftet. Ich fand eine bescheidene, unbeheizte Unterkunft bei der Familie Konrad Gräble. Ich wurde freundlich und familiär aufgenommen. In lebhafter Erinnerung ist mir die Schülerspeisung. Eine einfache Suppe und gelegentlich ein 50 Gramm Täfelchen Schokolade waren wertvolle und beliebte Zutaten im Schulalltag. Meine erste Anschaffung war ein Fotoapparat. Aus der Zeit stammen viele meiner dokumentarischen Bilder. Über Kirchenchor, Schwarzwaldverein und Streichorchester hatte ich schnell Kontakt gefunden. Ich spielte im Streichorchester neben Wagnermeister Alfons Krügle die zweite Geige. Die Schweizer Grenze war damals eine echte Trennungslinie, die nur selten und nur mit Grenzkarte überschritten werden konnte.
Sie waren später Lehrer an der Gehörlosenschule, die zu der Zeit im Schloss Hohenlupfen untergebracht war.


Als 1951 das 125-jährige Bestehen der Schule gefeiert wurde, war ich dabei. Es wurde ein junger Lehrer gesucht. Ich wurde gefragt, aber ich verneinte. Trotzdem wurde meine Abordnung erwirkt. Nach kurzer Zeit konnte ich mich mit meiner neuen Aufgabe anfreunden.

Der Hohenlupfen befand sich ja im Besitz der Familie Fürstenberg. Interessierte sich die Familie für ihre gehörlosen Mieter?
Nein, es bestanden keine persönlichen Verbindungen. Nur anlässlich der Firmung gehörloser Schüler habe ich die fürstliche Familie im Schloss gesehen.

Unterrichtung gehörloser Schüler damals im Vergleich zu heute?
Da liegen Welten dazwischen. Infolge des Krieges und der nationalsozialistischen Behindertenfeindlichkeit wurden die Schüler sehr spät, im Alter von zwölf Jahren, schulisch betreut. Durch Taubheit verursachte Sprachlosigkeit wurde auf fehlende Intelligenz zurückgeführt. Es gab an unserer Schule kein einziges Hörgerät. Heute kann durch spezielle Förderung in frühester Kindheit auch bei starkem Hörverlust ein gutes Sprechvermögen erreicht werden.

Fragen: Edelgard Bernauer

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