Dienstag, 22. Januar 2013

Hörtraining nach der CI-Implantation hilft hören und verstehen

Dezibel 2-2010




Stark hörbehinderte Menschen, die sich für ein Cochlea Implant (CI) entscheiden,
brauchen nach der Operation ein Hörtraining durch geschulte AudioagogInnen. Priska
Lustenberger* hat in den letzten 15 Jahren viele CI-TrägerInnen begleitet und trainiert.
Ihre Erfahrungen.

Als die ersten ertaubten und stark schwerhörigen Menschen Ende der 80er Jahre ein CI
Implantat erhielten, war das Hörtraining viel beschwerlicher als heute. Technik und
Feinanpassung haben in der Zwischenzeit grosse Fortschritte gemacht, zudem wartet man
heute mit der Operation nicht mehr, bis jemand völlig ertaubt ist.

Im Kantonsspital Luzern wurde bei den ersten CI-Trägern das Hörtraining von einem
Neuropsychologen und einem Gehörlosen-Lehrer intern durchgeführt. Es dauerte einige
Jahre, bis die IV die Kosten für die Operation und das Hörtraining übernahm.

Hörtraining

Ich durfte 1994 den ersten CI-Träger trainieren. Zuerst verstand er kein Wort. Sein Ohr war
sehr empfindlich und er reagierte auf die geringsten Nebengeräusche wie Papierrascheln
oder das Ticken der Uhr. Verstehen konnte er kein Wort, aber schon bei der zweiten
Anpassung ging es viel besser.

Die Personen, die heute zu mir kommen, verstehen meistens schon recht gut. Ich staune
immer wieder über die grossen Fortschritte seit damals. Doch damals wie heute ist es genau
gleich wichtig, dass CI-Implantierte besonders bei einer Erstanpassung unterstützend
begleitet werden. Sie sind anfänglich oft sehr verunsichert, alles tönt für sie fremd und laut
oder es treten unangenehme Geräusche oder Echo-Erscheinungen auf. Sie können sich
kaum vorstellen, dass sie sich jemals daran gewöhnen können.
 
Für die Betroffenen ist es wichtig, dass sie mit Jemandem darüber sprechen dürfen. Jemand
der weiss, dass dies alles in der Regel bald verschwindet oder dass sich das Gehirn mit der
Zeit an diese Geräusche gewöhnt. Hörtrainings sind daher hilfreich.

Vielfältiges Training

Die Trainingsmöglichkeiten sind mannigfaltig. Ich arbeite etwa mit Zahlen oder Zeitansagen,
gehe auf die individuellen Bedürfnisse ein. Mit einer gehörlosen Person arbeite ich anders
als mit CI-Implantierten, die eine gute Sprachkompetenz besitzen.

Was verstehen CI-Implantierte wirklich?

In der Praxis stellen sich verschiedene Fragen: Werden einfache Sätze, Wörter oder sogar
Einsilber verstanden? Können Betroffene Alltagsgeräusche zuordnen? Ich verbinde den CIImplantierten etwa die Augen und produziere viele verschiedene Geräusche: mit Papier,
Gläsern, Besteck,  Geschirr, Wasser, Wecker, Maschinen oder ich hämmere, schneide,
klopfe, singe, lache…

Wichtig zu wissen ist auch, ob Betroffene Vokale und Konsonanten differenzieren können,
also die Unterschiede hören zwischen Ohr, Uhr, ihr oder fangen und sangen, stoppen und
stocken… Hören sie den Unterschied zwischen hoch und tief, zwischen laut und leise oder
lang und kurz? Können sie Silben unterscheiden am Anfang, in der Mitte  oder am Ende des
Wortes? Verstehen sie Texte im Zusammenhang? Immer wieder einmal lasse ich meine
Kursbesucher Hörbilder zeichnen. Bilder erleichtern das Verstehen. Jede Stunde sollte mit
einem Erfolgserlebnis enden. Geübt wird immer nur mit dem implantierten Ohr. Falls das andere Ohr mit einem Hörgerät
versorgt ist, wird dieses während dem Training ausgeschaltet.

Trainingsformen für zu Hause

CDs mit Hörübungen und dem Lösungsteil dazu, Hörbücher, Nachrichten hören am Radio:
jede Stunde wird fast das Gleiche wiederholt, so  wird bei jedem Hinhören wieder mehr
verstanden.

Wieder telefonieren können wünschen sich die Meisten. Viele Hörbehinderte trauen sich
diese Form der Kommunikation einfach nicht mehr zu, weil sie schon sehr oft negative
Erfahrungen gemacht haben. Am Telefon wird oft zu schnell gesprochen und schlecht
artikuliert. Wenn ich mit CI-Implantierten telefoniere, mache ich mit ihnen einen Termin ab
und gebe vorher das Thema  bekannt, über das wir sprechen werden. Man kann auch selbst
den Wetterbericht oder die Zeitansagen am Telefon abhören.

Die CI-Hersteller bieten zum Fernsehen Audiokabel an. Damit kann man Sendungen besser
verstehen. Doch auch das muss trainiert werden.

CI – die grosse Chance zum Erfolg

Während 15 Jahren durfte ich viele verschiedene Personen trainieren. Mit einer Ausnahme
haben die Operation und das Hörtraining gute bis sehr gute Resultate gebracht. Die Dauer
des Hörtrainings liegt zwischen 5 und 40 Stunden und mehr, je nach Vorgeschichte.
Der Erfolg des Hörtrainings ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Dauer der Ertaubung,
Zustand des Hörnervs, Sprachkompetenz, Motivation, die ungewohnten Höreindrücke und
Sprachlaute zu erlernen. Üben ist wichtig.

CI ist Hilfsmittel

Ein CI kann ein gesundes Ohr nicht ersetzen, aber es ist ein tolles Hilfsmittel. Die Meisten
sind nach wie vor auf das Lippenlesen angewiesen, denn es tauchen immer wieder Grenzen
auf, die akzeptiert werden müssen. Wichtig finde ich, dass jeder seine eigenen Grenzen
erkennen und akzeptieren kann.

Ich erlebe oft, wie die CI-Träger/innen sich positiv verändern, sogar aufblühen, nicht mehr so
einen ängstlichen und verkrampften Ausdruck haben, wieder mehr am öffentlichen Leben
teilnehmen, Vorträge, Weiterbildungen und sogar Konzerte besuchen. Eine Frau erzählte
mir, dass sie wieder spontaner reagiere, nicht mehr so rasch ermüde und allgemein wieder
viel mehr Lebensfreude hätte.

Ute Jung, eine Betroffene, hat ihr «Zurück in die hörende Welt mit Cochlea-Implantat» wie
folgt geschildert: «Für mich ist es jeden Tag fantastisch erleben zu dürfen, was das CI
möglich macht, denn am Abend, wenn ich zu Bett gehe und die CIs abnehme, wird es immer
wieder still um mich. Hören lernen und wieder hören können ermöglicht mir... das Hören der
Sprache und damit Kontakt und Beziehungen zu Menschen, zu Gefühlen, zu Wissen, zur
Welt.»

Priska Lustenberger

*Priska Lustenberger arbeitete bis zu ihrer Pensionierung rund 20 Jahre lang als
Audioagogin in Luzern und begleitete viele ertaubte und schwer hörbehinderte Menschen
während ihres Hör- und Sprachtrainings nach der CI-Operation. An der Regionalkonferenz
von pro audito schweiz in Luzern von Ende Januar 2010 hielt sie das hier leicht gekürzte
Referat.

((Legende)):

 Priska Lustenberger: «Nach einer CI-Operation ist ein Hör- und Verständigungstraining sehr
hilfreich.» Foto K. Huber

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