Donnerstag, 19. Februar 2015

Hoffnung für gehörlose Kinder

Mit einem Implantat im Gehirn hört die dreijährige Angelina Töne
18.02.2015, 15:51 Uhr | Lauran Neergaard, AP


Quellen: www.t-online.de


Angelina kann mit drei Jahren erstmals Töne hören. Sie ist eines der ersten Kinder mit einem Hirnstamm-Implantat. (Quelle: AP/dpa)

Die dreijährige Angelica Lopez aus Texas ist taub zur Welt gekommen. Bei ihr sind die Gehörnerven nicht entwickelt. Für sie und andere gehörlose Kinder gibt es nun die Hoffnung, mit einem speziellen Implantat im Hirnstamm Töne wahrnehmen und sich besser verständigen zu zu können. Bisher war die Methode nur für Erwachsene zugelassen, aber bald sollen auch Kinder davon profitieren.

Angelica ist eine der wenigen Teilnehmerinnen einer Studie, in der die Wirksamkeit sogenannter auditorischer Hirnstamm-Implantate (ABI) bei kleinen Kindern erforscht wird. Die Gehörspezialistin Laurie Eisenberg von der Universität Südkalifornien (USC) in Los Angeles stellte eins der Projekte kürzlich bei einer Expertentagung in Washington vor.

Das Mädchen kam ohne Gehörnerven auf die Welt. Für solche Kinder kommt deshalb ein Cochlea-Implantat, eine Art Hörprothese für Menschen ohne Gehör, nicht in Frage. Ein solches Implantat sendet elektrische Impulse an die Hörnerven und stimuliert sie so. Die Folge ist eine klarere Ton- und Klangqualität. Sind jedoch keine Hörnerven vorhanden oder funktionieren sie nicht, bringt ein Cochlea-Implantat keine Verbesserung.

So funktioniert das Hirnstamm-Implantat

Ein ABI funktioniert ähnlich wie ein Cochlea-Implantat. Hauptunterschied: Elektrische Signale stimulieren nicht den Hörnerv, sondern einen Teil des Hirnstamms.

Für Erwachsene mit nicht funktionierenden oder fehlenden Hörnerven ist ein ABI bereits seit längerem eine Alternative. In den USA ist ein entsprechendes Implantat beispielsweise seit dem Jahr 2000 für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen, die nach der Entfernung eines Tumors am Hörnerv ihr Hörvermögen verloren haben.

Hirnstamm-Implantate stellen das Hörvermögen nicht wieder her, aber die Patienten können Töne wieder erkennen und zwischen verschiedenen Tönen unterscheiden. Sie können außerdem beim Lippenlesen helfen.

Nachteil: komplizierte Hirnoperation nötig

Für Kleinkinder waren ABI in den USA lange nicht zugelassen, unter anderem, um sie nicht dem Risiko einer komplizierten Hirnoperation auszusetzen. Grayson Clamp ist das erste Kind, das in den USA ein Hirnstamm-Implantat bekommen hat. Die Operation wurde 2013 in der UNC Klinik in North Carolina durchgeführt.

In Italien begannen Forscher schon vor zehn Jahren, ABI an Kleinkindern auszuprobieren. Sie gingen von der Annahme aus, dass das Gehirn von Kindern entwicklungsfähiger ist als das von Erwachsenen und das Resultat in Bezug auf das Hörvermögen möglicherweise ein besseres.

Die ersten Töne machen Angelica Angst

Auf diese Hypothese baut auch Eisenberg ihre Arbeit auf. Dabei macht sie den Eltern betroffener Kinder keine übertriebenen Hoffnungen. Die Kinder würden nicht wie durch ein Wunder plötzlich Töne hören und diese dann wiedergeben können. "Es ist sehr viel Arbeit", sagt sie.

Als bei Angelica das ABI das erste Mal aktiviert wurde, weinte sie aus Angst vor den ungewohnten Tönen. Jetzt, fünf Monate später, beginnt die Kleine, mit Hilfe von Zeichensprache Töne ihrem Ursprung zuzuordnen: ein bellender Hund, ein Hustengeräusch. Seitdem sich Sprachtherapeuten um sie kümmerten, brabbele sie vor sich her, wie Babys es täten, berichtet ihre Mutter.

"Es ist überwältigend, ihre kleine Stimme zu hören", sagt Julie Lopez. Angelica höre nicht wie eine Dreijährige, hatte Eisenberg ihr bereits zu Beginn der Therapie erklärt. Sie erlebe das Hören wie ein neugeborenes Kind.

Je früher der Eingriff, desto größer die Chancen

Weltweit beobachten Forscher die Studien mit großer Aufmerksamkeit, auch in Deutschland. Bislang gibt es nur eine Handvoll Kleinkinder, bei denen ABI getestet werden. An der USC werden kleine Probanden ab zwei Jahren behandelt, in anderen Projekten sind die Teilnehmer noch jünger.

Die Arbeit mit Cochlea-Implantaten habe gezeigt, dass es ein Zeitfenster gebe, in dem das Gehirn besonders stark auf auditorische Reizung reagiere und ein Sprachvermögen entwickelt werden könne, wenn nur früh genug mit der Stimulation begonnen werde.

Prognose fürs Sprechenlernen noch unklar

Wenn der Eingriff in spezialisierten Zentren von erfahrenen Ärzten durchgeführt werde, seien Komplikationen selten, meint Robert Shannon, Professor für Hals-Nasen und Ohren-Medizin an der USC. Eine mögliche Nebenwirkung sei zum Beispiel Kribbeln im Hals oder im Gesicht. Es gehe nun darum herauszufinden, welche Kinder für ein ABI besonders geeignet seien und welche Erfolge man überhaupt erwarten könne, sagt der Wissenschaftler, zum Beispiel ob Kinder mit einem ABI sprechen lernen könnten oder auch telefonieren, so wie es mit einem Cochlea-Implantat oft möglich ist.

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